Ausgangslage

Akademische Wissensproduktion in ihrer traditionellen Verfasstheit gerät in modernen Gesellschaften zunehmend unter Druck. Das Wissenschaftssystem steht vielfältigen Anforderungen gegenüber: Einerseits produziert es hochspezialisiertes Wissen, andererseits wird von ihm aber auch systemisches Wissen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme erwartet. Es befindet sich daher unter einem hohen gesellschaftlichen und politischen Erwartungsdruck, Handlungsempfehlungen auszusprechen und Orientierungswissen bereitzustellen: Die Wissenschaft soll „ganzheitliche“ Lösungen präsentieren und wieder „mit einer Stimme“ sprechen.

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Zugleich folgt das Wissenschaftssystem selbst internen Logiken disziplinärer Spezialisierung bzw. einer immer feinkörnigeren Ausdifferenzierung von Wissensbereichen. Wissenschaftliche Wissensproduktion steht somit vor dem Dilemma, sich einerseits seiner eigenen, sehr diversen Strukturen zu versichern und diese zu reproduzieren, und andererseits gesellschaftlichen Erwartungen an ihre Funktion als „Problemlöser“ zu entsprechen.
Für den Wissens- und Technologietransfer stellen sich daher folgende Fragen:
  • Wie und in welchem Grad ist ein Transfer von Wissen innerhalb gewachsener Wissenschaftskulturen und ihrer Institutionen wirklich möglich?
  • Inwiefern kann der praktische Anspruch einer transformativen Wirksamkeit an die Wissenschaft durch die Transformation dieser Institutionen erfüllt werden?
Im Umfeld der Diskussionen um Interdisziplinarität, Transdisziplinarität und Integrierter Forschung werden die Herausforderungen und Möglichkeiten seit Jahren diskutiert sowie Methoden entwickelt und getestet. Zwar funktionieren diese bisher auf Projektbasis bzw. im kurzfristigen Einsatz. Eine langfristige, dauerhafte Integration scheitert aber oft an den Umfeldern der Wissenschaft, ihren Wissens- und Wissenschaftskulturen sowie an den Handlungsrahmen von Politik und Innovations- und Nutzerkulturen. Diesen Herausforderungen widmet sich die Arbeit im Projekt TRANSFORM.

Welche Ziele verfolgt TRANSFORM?

Integration von Geistes- und Sozialwissenschaften für Innovationen und Wissenstransfer

Um die gesellschaftliche Wirkung des in Forschungseinrichtungen produzierten Wissens zu verbessern, stellen die Geistes- und Sozialwissenschaften eine fruchtbare Ressource dar. Durch ihren Beitrag kann Innovation im besten Falle nicht nur als technische Innovation, sondern als sozio-technischer Prozess verstanden werden. Für den Wissenstransfer von sowohl gesellschaftlich relevanten Fragestellungen in das Wissenschaftssystem hinein als auch umgekehrt von wissenschaftlich fundiertem Wissen in die Gesellschaft hinein bedarf es daher einer Einbindung von verschiedenen disziplinären Wissensformen, aber auch von nicht-akademischen Wissensbeständen.

Die institutionelle Ausbildung einer neuen Transferkultur ist eine Herausforderung, der sich das Projekt TRANSFORM stellt. Wir gehen davon aus, dass eine neue Transferkultur einen Kulturwandel in Hochschulen und Forschungseinrichtungen benötigt und dieser nur durch einen Wandel des institutionellen und personellen Selbstverständnisses möglich wird. Das Vorhaben möchte daher erforschen, wie dieser Wandel in den Wissenschaftseinrichtungen initiiert und gestaltet werden kann und was eine solche Systemänderung innerhalb der Wissenschaft letztlich bedeutet und erfordert. Ein Aspekt einer derartigen Systemveränderung ist der enge Austausch zwischen den Disziplinen und die Orientierung von Teilen wissenschaftlichen Arbeitens auf den Wissenstransfer.

Ziel des Projektes ist es daher, ausgewählte Methoden der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften für den Wissens- und Technologietransfer nutzbar zu machen und zu prüfen, wie sich akademische Institutionen organisational weiterentwickeln müssen, um bestenfalls von einseitigen Transfers getrennter Systeme zu einer Integration von Wissensbeständen zu kommen.

 

Organisationaler Wandel und die Institutionalisierung transformativer Wissenschaft

In dem Konzept der transformativen Wissenschaft wird Wissenschaft als System in ihrer Rolle als Gestalterin der Wissensgesellschaft und des gesellschaftlichen Wandels in die Verantwortung genommen. Sie hat damit nicht nur Anteil an der Erforschung gesellschaftlichen Wandels (Transformationswissenschaft), sondern bringt in akademischen Institutionen generiertes Wissen aktiv in gesellschaftliche Veränderungsprozesse ein (transformative Wissenschaft). Das Konzept der transformativen Wissenschaft (Schneidewind & Singer-Brodowski 2014)* will dabei auf die veränderten Anforderungen an Wissenschaft reagieren, indem sie verstärkt mit gesellschaftlichen Akteuren zusammenarbeitet, ihre analytischen wie auch reflexiven Kapazitäten (Göpel 2016)* in Veränderungsprozesse einbringt und somit gesellschaftliche Entwicklung bewusst mitgestaltet.

Dieses Vorhaben stellt besondere Anforderungen an die Wandlungskapazität der Wissenschaft: Sie muss ihre Institutionen und ihre Kultur der Wissensproduktion und Reproduktion an ihre nun wesentlich aktivere Rolle in der Gesellschaft anpassen.

In dem Projekt untersuchen wir daher die Frage, wie Institute in bestehenden akademischen Strukturen beschaffen sein müssen, um dauerhaft transformativ wirksam zu sein. Praktisch setzen wir dies um, indem wir für den KIT Innovation HUB „Prävention im Bauwesen“ Wege aufzeigen, sich zu einem transformativen Institut weiterzuentwickeln.

 

Möglichkeiten transformativer Wissenschaft auf drei Betrachtungsebenen

Für die Anwendung ausgewählter Methoden für den Wissens- und Technologietransfer betrachtet TRANSFORM institutionelle Strukturen von drei Betrachtungsebenen:

Ebene Institution: Auf dieser Ebene werden institutionelle Strukturen betrachtet und erdacht, die Interdisziplinarität und Transdisziplinarität mit dem Ziel der transformativen Wirksamkeit nicht nur inhaltlich und methodisch, sondern auch institutionell umsetzen.

Ebene Mensch: Hier stehen die handelnden, forschenden, kommunizierenden und interagierenden Personen, vor allem junge Wissenschaftler, deren Kompetenz- und Personalentwicklung im Zentrum der Betrachtung.

Ebene Umwelt: Diese Ebene betrachtet Personen, Personengruppen und Organisationen, die außerhalb der Ebene Institution (Hochschule, Universität, Forschungseinrichtung) stehen. Neue Selbstverständnisse und institutionelle Strukturen sowie neue Formen der Resonanz mit der Umwelt sollen dahingehend einen erhöhten transformativen Einfluss akademischer Wissensproduktion nach sich ziehen können.

 

ZUSAMMENFASSEND SIND DIES DIE zentralen Fragestellungen, um zu einer neuen Transferkultur zu gelangen:

  • Welche geistes- und sozialwissenschaftlichen Methoden können für den Aufbau und die Institutionalisierung einer neuen Transferkultur weiterentwickelt werden?
  • Wie kann transformative Wissenschaft in bestehende institutionelle Strukturen und Wissenschaftskulturen integriert werden?
  • Wie können geistes- und sozialwissenschaftliches Wissen und Selbstreflexivität dauerhaft in Forschungs- und Entwicklungsprozesse integriert werden?

 

Alexandra Hausstein und Andreas Gerdes im Campus-Report über die Ziele des Innovation HUB "Prävention im Bauwesen"

Link zum Interview (Audio)

 

*Literatur:
Göpel, Maja (2016): The Great Mindshift. How a New Economic Paradigm and Sustainability Transformations go Hand in Hand. Springer International Publishing.

Schneidewind, Uwe und Mandy Singer-Brodowski (2014): Transformative Wissenschaft. Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem. Metropolis Verlag.